Die Entstehung des Lagers

In der zweiten Hälfte des Jahres 1941 trat die „Endlösung der Judenfrage“, wie die Nazis das Programm der Vernichtung der europäischen Juden euphemistisch nannten, in ihre Schlussphase. Der Massenmord an den Jüdinnen und Juden begann zuerst in den deutsch besetzten Gebieten der damaligen Sowjetunion. Mit der Durchführung dieser Aufgabe wurden die SS und die ihr untergeordneten Polizeiorgane beauftragt. Zum Koordinator wurde der Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) Reinhard Heydrich, der dazu am 31. Juli 1941 den offiziellen Auftrag von Hermann Göring, dem Vorsitzenden des Ministerrates für die Reichsverteidigung und Hitlers Stellvertreter, erhielt. Hitler war ungeduldig und verlangte, dass Deutschland, Österreich und das „Protektorat Böhmen und Mähren“ möglichst bald „judenfrei“ gemacht würden. Am 27. September 1941 übernahm Reinhard Heydrich die Funktion des „Stellvertretenden Reichsprotektors“. Dies bedeutete eine Zuspitzung der antijüdischen Maßnahmen und die Beschleunigung der Vorbereitungen einer neuen Phase der „Endlösung“ auf dem Gebiet des „Protektorats“.

Heydrich widmete der „Endlösung“ eine der ersten Beratungen seines engsten Stabes am 10. Oktober 1941. Hier wurde entschieden, einige Tausend Juden aus dem „Protektorat“ in die Ghettos in Litzmannstadt und Minsk zu deportieren, weitere sollten in einem Ghetto auf dem Gebiet der böhmischen Länder konzentriert werden. Als geeigneterster Ort zu diesem Zweck wurde Theresienstadt ausgewählt. Diese Entscheidung wurde dann definitiv auf einer anderen Beratung am 17. Oktober 1941 bestätigt. In Theresienstadt, wo vor dem Krieg etwa 3 500 Soldaten und eine etwa ebenso große Zivilbevölkerung lebten, sollten nun 50 000 bis 60 000 jüdische Häftlinge interniert werden. Innerhalb von weniger als einem Jahr wurde die Hälfte dieser Zahl erreicht.

Zur Mithilfe bei den Vorbereitungen zur Errichtung eines Ghettos in Theresienstadt wurde auch die Jüdische Kultusgemeinde in Prag gezwungen. Die Nazis schufen in den Reihen der Gemeinde mit Absicht die Illusion, dass das Ghetto zu einem autonomen Gebiet würde, wo Jüdinnen und Juden in Ruhe leben und bis zum Ende des Krieges arbeiten könnten. Auf diese Weise sollte Unruhe unter den künftigen Opfern des Genozids vermieden und Zeit für ihre planmäßige und allmähliche Vernichtung gewonnen werden, ohne das Leben im Protektorat zu stören.

Am 24. November 1941 traf in der Sudetenkaserne in Theresienstadt eine Gruppe von 342 jungen jüdischen Männern ein, das sogenannte „Aufbaukommando“. Ihre Aufgabe war es, das Ghetto für die Ankunft weiterer Transporte vorzubereiten, die ab dem 30. November 1941 erwartet wurden. Die in die Transporte eingereihten Menschen bekamen Vorladungen und mussten sich an bestimmten Stellen in größeren tschechischen Städten versammeln. Bis dahin mussten sie ihr ganzes Vermögen abgeben, lediglich persönliches Gepäck von maximal 50 kg durften sie behalten und mitnehmen. Einige Tage lang wurden in den Sammelstellen die administrativen Angelegenheiten erledigt, danach fuhren die Transporte nach Theresienstadt ab. Dort wurden die Deportierten unter primitivsten Bedingungen in den Kasernen untergebracht. Anfangs durften die Familien zusammen bleiben, bald aber wurden Männer, Frauen und Kinder getrennt. Dies steigerte den psychischen Druck auf die Häftlinge. Im ersten Monat wurden 7 350 Juden aus dem Protektorat nach Teresienstadt deportiert. Die Deportationszüge fuhren den Bahnhof in Bohušovice nad Ohří an. Von dort folgte ein 2,5 km langer Fußmarsch. Viele Alte und Kranke überlebten die Reise nicht.

Herr über Leben und Tod im Lager war die Lager-SS mit dem Lagerkommandanten an der Spitze. Diese Funktion hatten nacheinander Dr. Siegfried Seidl, Anton Burger und Karl Rahm inne - alle im Rang eines SS-Obersturmführers. Die Kommandantur unterstand der Prager „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, die im August 1942 in „Zentralamt für die Regelung der Judenfrage in Böhmen und Mähren“ umbenannt wurde. Diese Bezeichnung drückte prägnanter, wenn auch heuchlerisch, die Funktion dieses „Schaltzentrums“ für die „Endlösung“ im Protektorat aus. Die Mitarbeiter der Kommandantur misshandelten die Häftlinge indirekt, mit Hilfe eines Systems von Befehlen und Verboten, die das Leben im Ghetto in jedem Bereich zusätzlich erschwerten, sowie direkt, vor allem in den berüchtigten Bunkern unter der Lagerkommandantur, wo sie ihre Opfern folterten und verhörten. Im Januar und Februar 1942 fanden außerdem zwei Massenhinrichtungen statt. Geringfügigste Verstöße führten damals zur Todesstrafe: eine unerlaubt verschickte Nachricht aus dem Ghetto oder das Nichtgrüßen eines SS-Mitglieds.

Um im Lager Ruhe zu bewahren und keinen Aufstand zu provozieren, ging die Kommandantur später auf andere Weise vor. Häftlinge, die bestraft werden sollten, wurden in das nicht weit entfernte Polizeigefängnis der Prager Gestapo in der Theresienstädter Kleinen Festung gebracht. Dort war die Behandlung der jüdischen Häftlinge so grausam, dass die Kleine Festung für sie einem Vernichtungslager glich. Eine weitere Methode war die Einreihung von Häftlingen in die Transporte in den Osten mittels Weisung, welche meistens die Hinrichtung jenes Häftlings unmittelbar nach der Ankunft des Transportes in seinem Bestimmungsort bedeutete.

 

Die Bunker unter der Lagerkommandantur

Ähnlich wie in anderen Ghettos und Konzentrationslagern wurde auch in Theresienstadt eine jüdische „Selbstverwaltung“ errichtet. Deren Leitung und Verwaltung musste jedoch die Befehle der SS ausführen und verfügte nur sehr geringe Möglichkeiten, das Schicksal der Häftlinge zu erleichtern. An der Spitze der Selbstverwaltung stand der sogenannte „Judenälteste“ mit seinem Stellvertreter, ihnen zur Seite stand der sogenannte „Ältestenrat“. Die Verwaltung gliederte sich in ein Sekretariat und fünf Hauptabteilungen. Später erhöhte sich die Zahl der Abteilungen auf neun. Die Funktion des „Judenältesten“ übten in Folge Jakob Edelstein, Dr. Paul Eppstein und Dr. Benjamin Murmelstein aus.

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