Von Kriegsbeginn an arbeitete die Nazi-Führung an Plänen zur Deportation der Juden, was für sie die logische Konsequenz
der sozialen Isolierung und Arisierung war. Dadurch wurde die jüdische Bevölkerung zu einer großen verarmten Ansammlung
von Menschen, die von den jüdischen Gemeinden abhängig war. Die jüdische Frage
konnte auch nicht mehr durch freiwillige
oder erzwungene Auswanderung gelöst werden, da sich mehr als drei Millionen Juden in den von den Nazis kontrollierten Ländern
befanden. Die Zielländer der Emigranten waren unter keinen Umständen dazu bereit so Viele aufzunehmen.
Von der Besetzung Polens an, planten die Nazis alle Juden an einem Ort zu konzentrieren, der als riesiges Ghetto dienen würde.
Der häufigste Gedanke war jener ein Judenreservat in der Lubliner Gegend, im Osten des Generalgouvernements, zu errichten.
Dies hätte den Vorteil
gehabt, dass es dort bereits eine große jüdische Bevölkerung gab und die Gegend später nicht germanisiert
werden sollte. Pläne zur Errichtung eines Judenreservats stellten einen wichtigen Part in der rassischen Neugestaltung Osteuropas
dar. Deutsche Minderheiten, die über das Baltikum, Polen, Rumänien, Bessarabien und andere Gegenden verstreut waren, sollten
in das polnische Gebiet, welches an das Deutsche Reich annektiert worden war, umgesiedelt werden. Aus diesem Gebiet sollten
dann wiederum alle Polen, Juden und Roma ins Generalgouvernement verfrachtet werden. Adolf Eichmann versuchte einen Plan zur
Errichtung eines Judenreservats umzusetzen. Im Oktober 1939 organisierte er drei Transporte mit Juden aus Wien, Mährisch
Ostrau und Katowitz nach Nisko, ein sumpfiges Gebiet in der Lubliner Region. Diese Transporte wurden jedoch schon bald eingestellt
und die Pläne zur Errichtung eines Judenreservats gingen nie über die Planungsphase hinaus. Das Lager in Nisko wurde im
April 1940 aufgelöst und einige der Häftlinge kehrten nach Österreich und ins Protektorat zurück. Andere Häftlinge wurden
in Richtung der Grenze zur Sowjetunion getrieben.
Ein anderer Plan zur territorialen Lösung der jüdischen Frage
war die Deportation der Juden in allen von den Nazis kontrollierten
Ländern nach Madagaskar. Der Gedanke die Juden auf diese Insel östlich von Afrika zu verfrachten schwebte europäischen
Antisemiten schon seit dem 19. Jahrhundert im Kopf herum. Im Jahre 1937 wurde sogar eine polnische Regierungskommission nach
Madagaskar geschickt, um die Möglichkeit die polnischen Juden dorthin zu übersiedeln zu überprüfen. Die Mitglieder der
Kommission kamen jedoch zu dem Schluss, dass die Insel keine große Aufnahmekapazität hat. Der Plan zur Umsiedelung der Juden
nach Madagaskar wurde auch von einigen Nazi-Führern und -ideologen unterstützt.
Im April 1940 besetzte die Deutsche Armee Dänemark und Norwegen und am 10. Mai begann sie mit der Invasion Westeuropas. Innerhalb
weniger Tage marschierte man in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg ein. Am 22. Juni kapitulierte die französische Regierung
und unterzeichnete einen Waffenstillstand. Nach der Invasion Westeuropas und der Niederlage Frankreichs erschien der Madagaskar-Plan
greifbar nahe, da Madagaskar eine Kolonie Frankreichs war. Das deutsche Außenministerium und die SS begannen mit den Vorbereitungen
für die Deportation der Juden auf diese Insel. Am 25. Mai 1940 übergab Heinrich Himmler Hitler ein Memorandum, in dem er
zur Deportation der Juden nach Madagaskar riet. Der Plan konnte jedoch nicht in die Tat umgesetzt werden bevor man Großbritannien
besiegt hatte, da das Vereinigte Königreich aufgrund der Stärke seiner Marine die Seewege nach Madagaskar kontrollierte
und die Deportationen verhindern konnte. Nach dem Scheitern der Offensive gegen Großbritannien im Sommer 1940, wurde der
Madagaskar-Plan
ad acta gelegt. Zu dieser Zeit planten die Nazis allerdings bereits eine Offensive gegen die Sowjetunion und
somit eine radikale Lösung der jüdischen Frage
. Obwohl der Madagaskar-Plan
nie in die Tat umgesetzt wurde, beeinflusste
er die Architekten der Endlösung
insoweit, als dass sie weiterhin daran dachten Juden vom Gebiet Deutschlands und Westeuropas
zu deportieren. Zuletzt wurde die Destination der Deportationen jedoch keine Insel im Indik, sondern die Vernichtungslager
im Osten.